Leinenpflicht & Gesundheit - wie werden sich unsere Hunde verändern?





„Alles Leben ist Bewegung, Bewegung ist Leben.“ Leonardo da Vinci

Wenn Bewegung Leben ist, welche Folgen hat dann die generelle Leinenpflicht – also die eingeschränkte Bewegung – auf die Gesundheit unserer Hunde.
Hier möchte ich beispielhaft zwei Themenkreise aufgreifen – die Muskulatur und den Knorpel.

Alle Muskeln des Hundes machen zusammen etwa 50% des Körpergewichtes aus. Abweichungen gibt es natürliche je nach Rasse, Alter, Geschlecht oder Trainingszustand. Das ist, wie ich finde, ein beachtlicher Wert. Männer schaffen diesen Wert auch, Frauen nicht ganz ;-). Dürfen Hunde sich infolge einer Verletzung weniger bewegen, werden Muskeln abgebaut und sie verlieren an Gewicht.

Jeder, der mal länger einen Gips hatte, kennt das. Wird der Gips entfernt, erkennt man seine eigenen Körperteile kaum wieder. Nach 7 Wochen Gips infolge einer Sprunggelenksfraktur war ich entsetzt über das „Beinchen“, das mir da als mein „Eigenes“ präsentiert wurde.

Krass wird es jetzt dadurch, dass Hund und Mensch allein durch das Älter werden Muskelmasse verlieren. Menschen verlieren ab dem 30. Lebensjahr pro Lebensjahrzehnt 10% ihrer Muskulatur, wenn sie sich so bewegen wie vorher. Ich bin jetzt 50 und muss zugeben – es stimmt. Ich bewege mich nicht wenig, aber die die Körperspannung geht Richtung Gurke. Deswegen versuche ich gerade Yoga. Hier bewegt man auch Muskeln, von denen man nicht ahnt, dass es sie gibt.

Für den Hund wird ähnliches vermutet, nur schneller, da ja die Lebensdauer viel kürzer ist. Hunde und Menschen müssen sich mit zunehmendem Alter mehr bewegen, um die Muskulatur zu ERHALTEN.

Nun haben wir mit dem Hund ein Tier, das ein geborener Läufer ist. So wurden die Hunde im Laufe der Evolution mit verschiedenen Gangarten ausgestattet, um effizient laufen zu können. Und jetzt kommt der Mensch daher und beschränkt die Bewegung durch die Leine auf „Schritt“. Es dürfte jedem einleuchten, dass so nicht mal der ERHALT der Muskeln möglich ist.

Wenn wir Menschen uns wenig bewegen, ist das unsere eigene Entscheidung und wir müssen mit den gesundheitlichen Konsequenzen des Muskelabbaus leben. Als Mensch aber so eine Entscheidung für den Hund zu treffen, ist aus ethischer Sicht äußerst fragwürdig. Aus meiner Sicht ist es sogar Körperverletzung, die im Tierschutzgesetz verboten ist.

Schauen wir uns nun mal die Knorpel an. Was ist eigentlich Knorpel? Knorpel ist ein glattes, gefäßloses Gewebe, das Gelenke und andere Skelettstellen überzieht. Viele kennen das Problem von abgenutztem Knorpel im Knie- oder Schultergelenk. Der Knorpel wird nicht wie andere Gewebeteile durch Blutgefäße versorgt. Die Versorgung vom Knorpel ist wieder so eine Glanzleistung der Natur. Der Knorpelstoffwechsel funktioniert wie ein Schwamm. Bei jedem Schritt wird der Knorpel/Schwamm leicht zusammengedrückt und wieder entlastet. Durch diesen Pumpmechanismus werden frische Nährstoffe in den Knorpel befördert. Lässt die Druckbelastung nach, fließt die Flüssigkeit in den Gelenkspalt zurück und nimmt auf diesem Wege auch Abbauprodukte aus dem Knorpel mit. Fehlt die körperliche Bewegung, bleiben Abbauprodukte einfach im Knorpel liegen, wichtige Nährstoffe werden nicht in ausreichender Menge hinein transportiert. Der Knorpel wird krank.

Bei einem Hund, der dauerhaft „Schritt“ gehen muss, funktioniert dieses Pumpmechanismus nicht mehr wie vorgesehen. Galoppsprünge und die Möglichkeit mal richtig zu Rennen drücken den Schwamm/Knorpel richtig aus, nicht die Gangart Schritt. So führt eine generelle Leinenpflicht ohne ausreichende Freilaufmöglichkeit wieder zu einer Körperverletzung des Hundes. Leider kann man es nicht anders bezeichnen.

Das waren jetzt nur zwei Beispiele.

TierärztInnen und BewegungstherapeutInnen können folgendes bestätigen:


  • die Gelenke werden durch „Leine gehen“ nur zu einem Drittel des möglichen Bewegungsausmaßes bewegt
  • das Schultergelenk ist ein Muskelgelenk, es hat anders als beim Menschen keine Verbindung zum Skelett. Die umgebende Muskulatur muss die Stabilität geben. Stabilität kann nur durch „Leine gehen“ nicht erhalten werden
  • die Stabilität des Rückens ist nur durch eine gute Muskulatur gewährleistet, nicht allein durch die Wirbelsäule
  • zu wenig Bewegung der Gelenke bedeutet zu wenig Knorpelstoffwechsel. Die Gelenke "verkleben". Knorpelabbau ist die Folge.
  • die Muskulatur produziert ca. 400 verschiedene Substanzen, wenn sie aktiv ist. Diese beeinflussen die physiologischen Prozesse im gesamten Körper. Durch Mangel an Bewegung gibt es Defizite am gesamten Organismus.


Bewegung ist Leben. Nehmen wir Lebewesen diese Bewegung, ist das für mich eine Verletzung im Sinne des Tierschutzgesetzes. Die Kühe befreien wir aus der Kettenhaltung und den Hund leinen wir an. „Durchdacht“ ist anders.

Wer jetzt argumentiert, der Hund kann ja in den Freilaufzonen laufen, möge den nächsten Teil dieser Blogreihe abwarten. Denn das geht es um die bestehenden Freilaufzonen in Tirol.

Bis die Tage – der nächste Teil ist schon „in der Mache“! Regnerische Grüße aus der Leutasch – Bettina & Martin  von der Hundeschule & Hundepension Tirol

P.S. Ganz lieben Dank an Gabi Berr - Physiotherapeutin für Kleintiere - für ihren fachlichen Input.

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