Die Sache mit dem Maulkorb

 
 
Viele Menschen sind immer entsetzt, wenn ich einer teilweisen Maulkorbpflicht positiv gegenüber stehe. Der Maulkorb und seine Verwendung sind wirklich ein erklärungs-bedürftiges Produkt.
Wenn Menschen, Hunde oder auch andere Tiere in Bedrängnis geraten, Angst bekommen oder sich erschrecken, dann gibt es fünf Verhaltensweisen, die auftreten können – die berühmten 5 „F“:
  • freeze – einfrieren
  • flee – flüchten
  • faint – aufgeben/unterwerfen
  • fooling around – herumalbern
  • fight – kämpfen
Diese 5 Verhaltensweisen sind ein uralter Schutzmechanismus und genetisch vorpro-grammiert. In einer solchen Situation entscheidet nicht unser bewusster Verstand, was wir tun, sondern das sogenannte limbische System, der Sitz der Gefühle. Viele reden auch vom unbewussten Verstand. Wird ein Mensch angegriffen, gibt es Menschen, die versuchen sich bei einem Angriff zu wehren und es gibt Menschen, die aufgeben und alles über sich ergehen lassen. So ist es auch beim Hund. Blitzschnell entscheidet der unbewusste Verstand, was zu tun ist.
 
Betrachten wir jetzt mal die Situation als mich das letzte Mal in der Hundepension ein Hund gebissen hat. ICH BIN GEFLÜCHTET! Wenn uns ein Hund beißt, haben wir Menschen in diesem Moment Angst, begleitet von der körperlichen Stressreaktion. Auch bei uns Menschen gibt es dann die 5 „F“. Einige Erstarren, andere machen einen blöden Spruch oder treten zu. Ich bin halt „geflüchtet“. Wir denken hierbei nicht nach. Diese Reaktion erfolgt in Millisekunden. Limbisches System und Stammhirn übernehmen die Herrschaft über unser Verhalten.
 
Bringen wir unsere Hunde nun in Situationen, wo sie nicht ausweichen können, kann es passieren, dass sie zubeißen. Ganz unabhängig davon, wie gut sie sonst folgen oder wie grandios sie „abgerichtet“ sind. Training oder „Abrichten“ findet im bewussten Teil des Verstandes statt und dieser wird in Gefahrensituationen erst einmal vorsorglich blockiert. Es geht schließlich ums Überleben. Der ansonsten friedlichste Hund kann sich dann wehren.
 
Sind wir nun mit unserem Hund in einer Gondel und diese stoppt plötzlich, dann stolpern die Menschen auf engem Raum umher. Es wird vollkommen unabsichtlich gerempelt oder dem anderen auf die Füße getreten. Und nun ist da ein Hund dazwischen – natürlich kann der „angreifen“ und beißen. Gesteuert wird er von einem uralten Schutzmechanismus. Dies kann überall dort passieren, wo wir eine Menschansammlung auf engem Raum haben. Hier ist ein Maulkorb dann absolut sinnvoll. Menschen können so nicht von einem Hund verletzt werden. Beim momentan vorherrschenden Zeitgeist werden Hunde, die in einer solchen Situation zubeißen, für den Rest ihres Lebens gestraft. Lebenslange Maulkorbpflicht ist da noch die geringste Strafe – auch die Einschläferung kommt vor.
 
Wer nun argumentiert, dass man den eigenen Hund nicht in einer solchen Situation bringen darf, hat Recht. Die Realität sieht aber leider so aus, dass Hunde regelmäßig z. B. auf überfüllte Weihnachtsmärkte geschleppt werden. In Anerkennung dieser Realität bin ich dann für eine Maulkorbpflicht immer dort, wo auf engem Raum viele Menschen zusammen kommen.
Eine generelle Maulkorbpflicht ist sinnfrei und auch wieder tierschutzrelevant.
 
Es sollte selbstverständlich sein, dass jeder Hund langsam, in kleinen Schritten und mittels positiver Verstärkung an das Tragen eines Maulkorbs gewöhnt wird. (Ich weiß, dass es das nicht ist. Standardmethode: „Maulkorb rauf und gut is! Da muss er durch.“)
 
Es gibt noch eine Situation, in der ich froh bin, wenn der Hund seinen Maulkorb mag und gerne trägt: eine Verletzung des Hundes und die damit verbundenen Schmerzen. Oben auf dem Bild seht ihr unseren Finn. Er ist sicher der schmerzempfindlichste Hund, den ich je kennengelernt habe. Eine eingerissene Kralle ist für ihn der persönliche Supergau. Wir dürfen uns der Pfote dann nicht nähern. Fremde Leute dürfen den Raum nicht betreten. Der Maulkorb hat uns hier schon oft gerettet – nicht nur uns, sondern auch den Medicus unseres Vertrauens (Diese Situation muss selbstverständlich nicht gesetzlich geregelt werden.)
 
Wenn ich es also nicht vermeiden kann, mich mit meinem Hund durch eine Menschenmenge zu bewegen oder dort aufzuhalten, dann lege ich für diese kurze Distanz oder kurze Zeitdauer gerne aus Rücksicht auf andere den Maulkorb an. Danach geht es dann ohne Maulkorb weiter. Wenn der Gesetzestext so gemeint ist, unterstütze ich diese Passage des Gesetzestextes.
 
Im nächsten Blog geht es dann um den Sachkundenachweis. Dieser ist notwendig, auch oder gerade wenn man schon 30 Jahre Hunde hat. Diese Zahl 30 ist übrigens interessant. Alle haben immer schon 30 Jahre Hunde, nicht 15 oder 22 Jahre. Ganz ehrlich, da kann etwas nicht stimmen .
 
Bis die Tage – der nächste Teil ist schon „in der Mache“! Gewittrige Grüße aus der Leutasch – Bettina & Martin von der Hundeschule & Hundepension Tirol

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