Bleib mir vom Hals!
In
unserer Umgangssprache findet man viele Redewendungen rund um den Hals:
- Mir steht das Wasser bis zum Hals...
- Ich wünsch Dir Hals- und Beinbruch!
- Ich hab so`n Hals...
- Dem drehe ich den Hals um,...
- Ich hab ´nen Kloß im Hals ...
- und viele mehr.
Diese
Phrasen verwendet man gerne in Situationen, wo es eng ist oder eng wird. Der
Hals ist eine sensible
Region. Vielen Menschen ist ja jetzt im Herbst sogar der schützende Rollkragen
zu eng und Männer leiden häufig unter der zu engen Krawatte. Fremde Hände am Hals,
wer mag das schon?
Befragt
man Wikipedia bekommt man folgende sehr aufschlussreiche Definition:
"Der
Hals, anat. Collum (lat. collum „Hals“) oder Cervix (lat. cervix
„Hals“), ist derjenige Körperteil von Menschen und Tieren, der Kopf und Rumpf
miteinander verbindet. Er ist mit seinen verschiedenen zu erfüllenden
Funktionen ein komplexes Gebilde, das
auch eine gefährdete Engstelle darstellt."
Warum ist
der Hals ein komplexes Gebilde? Auf kleinem Raum finden sich dort:
- die Halswirbelsäule mit Bandscheiben
- das Rückenmark
- das Zungenbein
- die Luftröhre mit dem Kehlkopf
- die Speiseröhre
- die Schilddrüse und Thymusdrüse
- Lymphknoten und -gefäße
- sympathisches & parasympathisches Nervensystem
- Venen & Arterien
- Haut & Muskeln & Faszien
Schon die
Verletzung oder Erkrankung einer dieser Strukturen kann zu starken
Beeinträchtigungen führen. Man denke nur an einen Bandscheibenvorfall im
Halswirbelbereich oder eine Kehlkopfentzündung.
Klar ist,
dass permanente Stöße oder Zugbewegungen sowie erzwungene Fehlhaltungen die
oben genannten Halsstrukturen bei Mensch und Tier langsam, aber stetig
verletzen und zerstören. Jeder, der Probleme im Hals- und Nackenbereich hat,
kann ein Lied davon singen.
Klar ist
auch, zerstört man diese Verbindung zwischen Kopf und Rumpf, sind Mensch und
Tier tot - mal mehr, mal weniger schnell. Kein Wunder also, dass Enthauptung
und Tod durch den Strang in der Menschheitsgeschichte beliebte
Hinrichtungsformen waren und teilweise noch sind. Das Erhängen ist laut Marita
Genesis, eine der ältesten Strafen überhaupt. In dem unten aufgeführten
Focus-Artikel erzählt sie:
"Zum Aufhängen benutzten die Vollstrecker gewöhnlich ein Hanfseil,
mitunter aber auch eine Kette. Die Verwendung von Letzterem war wohl gar nicht
so selten, wie die aufgefundenen, teilweise noch um die Halswirbel
geschlungenen Kettenglieder
Hingerichteter auf einigen Richtstätten belegen."
Wer jetzt denkt, dass macht doch keiner mehr, liegt falsch. In Spanien ist das Erhängen von Galgos gängige Praxis. Es gibt zahlreiche Menschen, die Hunde zu Erziehungszwecken in der Luft baumeln lassen.
Nun gibt es ja beratungsresistente
Zeitgenossen, die das alles nicht so schlimm finden. Für das bessere
Verständnis hilft hier oft der Selbstversuch - ausschließlich gedacht für
Menschen über 18 Jahren. Man nehme einen
handelsüblichen Kettenwürger, eine Leine und einen Baum. Das Halsband ist
schnell angezogen und man macht sich am Baum fest. Dann lehnt man sich kräftig
ins Halsband und spürt nach, was so passiert. Angenehm?
Nein, es kommt
ziemlich schnell zu Luftnot. Die Blutzufuhr zum Gehirn wird verringert. Man
kann nicht mehr klar denken. Die Angst steigt auf - es geht um´s Überleben.
Gott sei Dank nur ein Versuch!
Noch etwas
unangenehmer wird es, wenn man eine Drahtschlinge, wie auf dem zweiten Bild, nutzt. Der einzige Gedanke
ist, wie man das Halsband schnellstmöglich los wird. Die Schlinge verläuft auf
dem Foto an einer sehr empfindlichen Stelle. Drücken Sie mal mit dem Finger in
den Spalt am Übergang zwischen Kinn und Hals. Ätzend, oder? Man nimmt den
Finger ganz schnell wieder weg. Bei einem Hund trifft man die Stelle, in dem
man die Leine so hochhebt, dass das Halsband hinter den Ohren verläuft und
diesen Druck aufrechterhält.
Und jetzt lässt man
mit vorheriger Ankündigung noch jemand anderen ein bisschen an der Leine
rucken. Die körperlichen Einschränkungen machen sich sofort bemerkbar. Wie mag
es sein, wenn ohne vorherige Ankündigung völlig überraschend geruckt wird? Wie
mag es sein, wenn so intensiv geruckt wird, dass wir rückwärts gehen müssen, um
dem Druck nachzugeben oder gar stolpern? Wie mag es sein, wenn die Leine so
kurz gehalten wird, dass man sehr dicht beim Partner gehen mussn, um ja keinen
Zug auf dem Band zu haben?
Die körperlichen
Folgen scheinen klar, die Auswirkungen des Strangulierens auf die Seele sind
unermesslich furchtbar.
Als wir vor unserem
Haus diese Fotoaufnahmen von meinem Hals machten, blieb ein Paar, das auf dem
Fahrrad unterwegs war, besorgt stehen, um zu beobachten, was mein Lebenspartner
dort mit mir aufführt. Sie fragten dann nach. Nochmals mein ausdrücklicher
Dank, dass sie nicht weggeschaut haben.
Auch in der
Körpersprache kommt dem Hals eine große Bedeutung zu. Schützt man z.B. den Hals
mit der Hand, kann dies als Schutzreflex oder Ausdruck von Unbehagen aufgefasst
werden. Zeigt man den Hals, z.B. durch ein Neigen des Kopfes, könnte man darauf
schließen, dass der Mensch sich in der Situation wohlfühlt, beziehungsweise dem
Gegenüber vertraut. So etwas findet man auch bei Tieren.
Akzeptiert man die
obigen Ausführungen als Fakten Mensch und Tier, dann kann es nicht sein, dass
man
- seinem Hund derartige Halsbänder anlegt
- man Trainer/innen anhimmelt, die Hunde an solchen Halsband in die Luft heben und dort zu Trainingszwecken baumeln lassen, obwohl die Hunde verzweifelt nach Luft schnappen
- bei solchen Strangulationsversuchen zuschaut, Videos von solchen Szenen konsumiert, Liked oder auch noch Geld dafür zahlt.
Es gibt keinen Grund einen Hund mit Hinrichtungsmethoden zu traktieren. KEINEN.
Am Ende
bleibt die Frage, warum der Mensch so gerne ruckt oder Tiere in der Luft
baumeln lässt. Diese Frage bedarf sicher eines eigenen Blogs. Aber die
Hauptgründe seien trotzdem kurz angerissen:
- es gibt Menschen, die diese Form der Machtausübung genießen, deswegen auch permanent rechtfertigen und sogar zu Geld machen.
- es gibt Menschen, die es tun, weil es immer schon so gemacht wurde. Das Schwarmwissen wird nicht hinterfragt, weil es so einfacher ist.
- es gibt Menschen, die rucken, weil sie in der Situation überfordert sind. Der Hund tobt an der Leine, die Kraft fehlt, die Schulter tut weh…man sieht keinen anderen Ausweg.
Am Ende
hilft einfach nur die Bitte:
Bleibt Euren Hunden vom Hals und haltet
auch Dritte davon ab.
P.S.:
Erspart mir hier bitte Kommentare wie:
- aber meiner hat nie Druck auf dem Halsband
- aber die Halsmuskulatur des Hundes hält das aus, denn der Hund schüttelt ja auch seine Beute tot
- aber ein schlecht sitzendes Brustgeschirr schadet auch
- das gilt alles nicht, weil der Hals des Hundes anatomisch ganz anders gebaut ist
Warum?
Ich krieg sonst echt ´nen dicken Hals, weil
- aber meiner hat nie Druck auf dem Halsband - unwahrscheinlich, echt! Wenn es so ist –toll.
- aber die Halsmuskulatur des Hundes hält das aus, denn der Hund schüttelt ja auch seine Beute tot - Bullshit, denn "Totschütteln" ist ein komplett anderes Bewegungsmuster als "geruckt werden"
- aber ein schlecht sitzendes Brustgeschirr schadet auch - STIMMT, aber kein Grund für ´nen Kettenwürger oder ähnliche Vorrichtungen.
- das gilt alles nicht, weil der Hals des Hundes anatomisch ganz anders gebaut ist - nicht wirklich.
Dieser
Artikel erscheint im Rahmen der Blogparade "Fair statt fies". Die
BloggerInnen der deutschsprachigen Hundeszene, denen ein fairer, freundlicher
und gewaltfreier Umgang mit Hunden am Herzen liegt, veröffentlichen vom 10.
Oktober bis zum 13. November 2019 ihre Blogartikel rund um Mensch und Hund.
Hier finden Sie alle Artikel der Blogparade "Fair statt fies" verlinkt (in der Reihenfolge ihres
Erscheinens):
https://www.knowwau.com/fair-statt-fies-die-blogparade/
Teilen ist ausdrücklich erwünscht!
Zum Weiterlesen:
Das
Erhängen zählt zu den ältesten bekannten Strafen überhaupt. Bäume gab
es überall und ein Seil zum Fixieren war auch schnell gefunden.
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es überall und ein Seil zum Fixieren war auch schnell gefunden.
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