Generelle Leinenpflicht für Hunde – ein Verstoß gegen das geltende Tierschutzgesetz?
Wie Ihr es gewohnt seid, ein Blog von mir erscheint immer dann, wenn ich mich ärgere. Nun ist der Entwurf zur Änderung des Landespolizeigesetzes in Sachen Hund veröffentlicht. Nach der ersten Schnappatmung musste ich mich zunächst sammeln. Jetzt gibt es in den nächsten Tagen eine Blogreihe. Ich werde die Thematik häppchenweise abarbeiten und trotzdem sind die Beiträge nicht gerade kurz. Es gibt eben viel zu sagen. Was erwartet Euch:
- Genereller Leinenzwang ein Tierschutzproblem?
- Leinenpflicht & Verhalten - wie werden sich unsere Hunde verändern?
- Leinenpflicht & Gesundheit – macht die Leine krank?
- Qualität und Quantität von Freilaufzonen
- Sinn & Unsinn des Maulkorbs?
- Sachkundenachweis für Hundemenschen – brauchen wir den?
- Unter welchen Rahmenbedingungen macht eine Schulung von verhaltensauffälligen Hunden Sinn? Wann ist sie sinnfrei?
- Der neue Gesetzesentwurf – ganz persönliche Gedanken!
Das
neue Gesetz beeinflusst alle Hunde mit ihren Menschen ganz massiv. Der Entwurf
enthält aus kynologischer Sicht erhebliche fachliche Mängel. Also meldet Euch aktiv
zu Wort! Nur hinter vorgehaltener Hand meckern und Nichtstun, hilft unseren
Hunden nicht. Das Gesetz ist noch bis 5.8.19 in der Begutachtung. Lasst uns in
den nächsten Tagen einfach mal Gas geben. Wenn Zeit ist, ein Foto vom
Mittagessen oder vom neuen Lebensmotto zu posten, sind vielleicht auch ein paar
Minuten für unsere Hunde drin. Das Teilen des Blogs bzw. der Notiz ist
ausdrücklich erwünscht. Dann starte ich mal!
Generelle Leinenpflicht für Hunde –
ein Verstoß gegen das geltende Tierschutzgesetz?
Die Novelle des Landespolizeigesetzes sieht
eine Leinenpflicht an öffentlichen Orten in geschlossenen Ortschaften vor. Im Prinzip
heißt das für die meisten von uns, dass wir anleinen müssen, sobald wir unser
privates Grundstück oder unseren Wohnkomplex verlassen. Ausnahmen bestätigen
die Regel, sind aber sicher in der Minderheit. Die Wenigsten von uns stolpern außerhalb
einer geschlossenen Ortschaft von der Haustür direkt in den Wald oder die
Wiese.
Großzügigerweise
sieht die Novelle dann noch eine weitere Änderung vor: die Gemeinde kann bei
Bedarf die Leinenpflicht auch außerhalb geschlossener Ortschaften noch
ausweiten. Da, wo es dann noch Freiflächen gibt, wie z. B. im Wald oder am Berg,
arbeiten gerade andere Interessensverbände an der Leinenpflicht wie z. B. die
Jäger- oder die Landwirtschaft.
Die
Leinenpflicht soll aus Sicht der Politik die Bevölkerung vor Gefahren oder
Belästigung durch Hunde schützen. Dies ist auch absolut verständlich. Es gibt
gefährliche und auch lästige Hunde. Diese müssen entsprechend gesichert sein.
Allerdings entsprechen diese Hunde nicht dem repräsentativen Durchschnitt. Natürlich
gibt es Menschen, die Angst haben und/oder Hunde auch einfach nicht mögen.
Ihren Bedürfnissen muss Rechnung getragen werden. Auch ich mache keine
Luftsprünge, wenn ein Hund mich so begrüßt, dass ich unfreiwilligen Bodenkontakt
habe. Das ist die eine Seite.
Die
andere Seite ist, dass das Lebewesen oder auch der Sozialpartner „Hund“
Bedürfnisse hat, die erfüllt werden müssen. Eines dieser Bedürfnisse ist
Freilauf.Das
Tierschutzgesetz fordert in seiner Zielsetzung:
§ 1. Ziel dieses Bundesgesetzes ist der Schutz des Lebens und des Wohlbefindens der Tiere aus der besonderen Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf.
Hier
ist ausdrücklich vom Wohlbefinden der Tiere die Rede. Die Evolution hat sicher
keine generelle Leinenpflicht für Hunde vorgesehen. Zum Wohlbefinden eines
Hundes gehört damit Möglichkeit des Freilaufs. Dies wurde auch vom
Tierschutzgesetz formuliert. In der Tierhaltungsverordnung findet man folgenden
Passus:
„Mindestanforderungen
an die Haltung von Säugetieren
1.
Mindestanforderungen für die Haltung von Hunden
1.1.
Allgemeine Anforderungen an das Halten von Hunden
(1) Hunden
muss mindestens einmal täglich, ihrem Bewegungsbedürfnis entsprechend,
ausreichend Gelegenheit zum Auslauf gegeben werden…“
Gehe
ich nun mit meinem Hund ständig an der Leine spazieren, werde ich zwar dem
Landepolizeigesetz gerecht, dem Tierschutzgesetz aber nicht. Denn ein
Spaziergang an der Leine entspricht nicht dem Bewegungsbedürfnis der meisten
Hunde.
Die
Verordnung gibt absichtlich keine pauschalen Mindestzeiten für den Auslauf an,
um den unterschiedlichen Haltungsansprüchen der verschiedenen Rassen Rechnung
zu tragen. In Deutschland gab es schon erste Gerichtsurteile zu diesem Thema. So
findet man in einer amtlichen Begründung der deutschen Bundesregierung folgende
Angabe:
„Der
Auslauf sollte mindestens zweimal täglich im Freien gewährt werden und eine
Zeitdauer von einer Stunde täglich nicht unterschreiten.“ Es ist davon
auszugehen, dass man diese Angabe problemlos von den deutschen auf die österreichischen
Hunde übertragen kann. Und bevor die ersten Aufschreie kommen, natürlich gibt
es kranke, alte sowie bewegungsunlustige Hunde und Welpen, für die die Mindestangabe
nicht gilt.
Dr.
Dorit Feddersen-Petersen ist eine deutsche Verhaltenswissenschaftlerin
mit dem Forschungsschwerpunkt Verhalten von Hunden und Hundeartigen. Aus ihrer
Sicht ist ständiges Anleinen tierschutzrelevant, da dem Hund nicht nur die
Möglichkeit genommen wird, seinem Bewegungsbedürfnis nachzukommen, sondern
vielmehr die Möglichkeit der Aufnahme der für den Hund bedeutsamen
Reizqualitäten verringert oder ganz verhindert wird und sich schließlich durch
das Unterbinden arttypischer Kommunikation mit anderen Hunden Verhaltensfehlentwicklungen
ergeben können.
So kommen Fachleute in Deutschland
aufgrund diverser Expertenmeinungen zu dem Schluß, dass durch den Leinenzwang
den Hunden Schäden zugefügt werden, die tierschutzrelevant sind. Diese
Diskussion wird in Deutschland seit 2002 wird. Es gibt auch erste Gerichtsurteile.
Spannend finde ich, dass dieses Wissen an den hiesigen Politikern und Politikerinnen
einfach vorbei geht oder abprallt. Offensichtliche Fehler in anderen Ländern
werden einfach wiederholt.
Wer
nun glaubt, dass die Freilaufzonen das Problem lösen, muss sich bitte bis zum
Teil 4 dieser Blogreihe gedulden.
Wir
können uns jetzt also entspannt überlegen, gegen welches Gesetz wir lieber
verstoßen: Tierschutzgesetz oder Landespolizeigesetz? „Richtig machen“ können
wir es je nach Gemeinde, in der wir leben, schon jetzt nicht. Mit dieser
Novelle besteht der Konflikt dann Tirol weit.
Welche
Funktionen der Auslauf für unsere Hunde hat und wie sich der Leinenzwang auf
das Verhalten unsere Hunde auswirkt, kommt dann im nächsten Blogartikel! Ich
nehme das Fazit aber schon gerne vorweg – die geplante Leinenpflicht wird die
Zahl von verhaltensauffälligen Hunden in kürzester Zeit in ungeahnte Höhen
treiben.
Bis
die Tage – der nächste Teil ist schon „in der Mache“! Sonnige Grüße aus der
Leutasch – Bettina & Martin von der Hundeschule & Hundepension Tirol
P.S. Das Foto ist von Petra Saf https://www.wuffclick-pic.com/ - Danke!
P.S. Das Foto ist von Petra Saf https://www.wuffclick-pic.com/ - Danke!
wir haben einen kleinen landwirtschaftlichen betrieb. der hundekot in den feldern ist ein problem. wir haben auch 2 hunde. ich werde meine hunde im freien gelände sicher nicht anleinen. ich sehe die leinenpflicht als verständlich an im ortsgebiet, in öffentlichen verkehrsmitteln und wenn die hunde nicht ordentlich erzogen sind.
AntwortenLöschenzum thema ausbildung der hundehalter - es müsste auch eine ausbildung der nicht-hundehalter geben. wie oft kommen leute auf hunde zu, streicheln, füttern und betüteln ohne das einverständnis des halters. selbst wenn der hund anzeigt, dass er das nicht möchte und der hundehalter darauf hinweist, nutzt das nichts!.